Donnerstag, 26. September 2013


C. VELLEIUS PATERCULUS: II, 117ff. (TEIL 3): DER CHARAKTER DES ARMINIUS

Tum iuvenis genere nobilis (Da; dann ein junger Mann, von Geburt vornehm), manu fortis ("durch die Hand" tapfer=von persönlicher Tapferkeit), sensu celer (durch Auffassung; Verstand schnell), ultra barbarum promptus ingenio (entschlossen durch die Begabung jenseits der barbarischen; die jenseits der barbarischen liegt), nomine Arminius (mit Namen; namens Arminius), Sigimeri principis gentis eius filius (der Sohn des Segimer, eines Fürsen dieses Stammes), ardorem animi vultu ("das Feuer"; die Leidenschaft seines Geistes im Gesichtsausdruck; in der Miene) oculisque praeferens (und in den Augen an den Tag legend; zeigend), assiduus militiae nostrae prioris comes (ein ständiger Begleiter unseres früheren Feldzugs), iure etiam civitatis Romanae (durch das Recht des römischen Staates sogar) decus equestris consequens gradus (die Würde des ritterlichen Ranges (Standes) erlangt habend), segnitia ducis (die Langsamkeit des Anführers) in occasionem sceleris usus est (benutzte er zur Gelegenheit seines Verbrechens; Frevels), haud imprudenter speculatus (nicht unklug beobachtend; erkennend) neminem celerius opprimi (niemand könne schneller überwältigt werden; bezwungen werden), quam qui (als der) nihil timeret (nichts befürchtete; ahnte), et frequentissimum initium esse calamitatis securitatem (und daß der häufigste Anfang des Unglücks die Sorglosigkeit sei).
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VELLEIUS (geb. ca. 20 v.) war Reiteroffizier (also Mann vom Fach!). Er schrieb 29 n. einen Bericht über die Schlacht. VELLEIUS kannte ARMINIUS persönlich. Seine Schriften sind allerdings tendenziös. VELLEIUS ist ein großer Verehrer des TIBERIUS. Dennoch ist seine Schrift eine gute Quelle, da er Zeitgenosse war.
Über ARMINIUS schreibt er voller Hochachtung, VARUS hingegen bekommt "sein Fett ab". War er gar neidisch, daß VARUS commander-in-chief wurde?
ASPRENAS, der Neffe des VARUS und Befehlshaber der restlichen zwei Legionen der Rheinarmee, wird ausdrücklich gelobt, um dann gleich wieder getadelt zu werden. ASPRENAS habe sich am Nachlaß des Onkels bereichert. Insofern hat er die Familientradition der Selbstbereicherung munter fortgesetzt!
Zur Textüberlieferung: Der Text ist teilweise unsicher und lückenhaft, muß daher aus anderen Quellen ergänzt werden.
Handschrift: Kloster Murnau, Elsaß.
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Der VELLEIUS hat mich aber schön dargestellt, obwohl er ein Feind ist! Überaus treffend! So etwas liest man gerne von sich. Tolle Presse! Dem alten VARUS hat er's nochmal richtig gegeben! Auch sein Neffe, der mit dem komischen Namen, hat trotz anfänglichem Lob "eins drauf bekommen". Wie der Alte, so der Junge. Eine geldgierige Sippschaft.
ARMINIUS
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QUELLE: WERNER VÖLKER: ALS DIE RÖMER FRECH GEWORDEN...DIE SCHLACHT IM TEUTOBURGER WALD (WAGENBACHS TASCHENBÜCHEREI), BERLIN 1981, S. 24 ff.

Mittwoch, 25. September 2013


C. VELLEIUS PATERCULUS: II, 117-119 (TEIL 2): WESEN DER GERMANEN

At illi (Doch jene), quod nisi expertus (was, wenn nicht erfahren habend; wenn man es nicht erfahren hat) vix credat (man kaum glauben könnte), in summa feritate (in; bei größter Wildheit) versutissimi (äußerst verschlagen; schlau; gerissen) natumque mendacio genus (ein Geschlecht; Volk, geboren für die Lüge; zum Lügen; zur Täuschung), simulantes fictas litium series (vortäuschend eine Reihe erfundener Rechtshändel; sie täuschten...vor; indem sie...) et nunc provocantes (und bald auffordernd; "einladend"; herausforderten) alter alterum in iurgia (der eine den anderen zu Streitereien; gegenseitig zu Rechtsstreiten), nunc agentes gratias (bald Dank abstattend; sagten), quod ea Romana iustitia (daß diese=die juristischen Streitereien die römische Rechtspflege) finiret (beenden würde) feritasque sua (und daß ihre Wildheit) novitate incognitae disciplinae (durch die Neuartigkeit der unbekannten Einrichtung) mitesceret (milder würde; nachließe) et solita armis discerni (und die Gewohnheiten, daß durch Waffen entschieden wird) iure terminarentur (durch Recht beendet würden), in summam socordiam perduxere Quintilium (führten sie den Quintilius zu höchster Sorglosigkeit hin; verleiteten sie ihn), usque eo (bis dahin; bis zu dem Punkt), ut (daß) se praetorem urbanum (daß er als städtischer Prätor; d.h. in Rom) in foro ius dicere (auf dem Marktplatz Recht spreche), non in mediis Germaniae finibus (und nicht mitten im Gebiet Germaniens) exercitui praeesse (dem Heer voranstehe) crederet (er glaubte; wähnte).
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Die Germanen wußten, wie man den eitlen und naiven VARUS "kriegt". Durch fingierte Rechtsfälle. Einen größeren Gefallen hätten die ihm, glaube ich, nicht tun können. Sie gaben ihm seine Prozesse, wie man einem Hund Knochen hinwirft. Da konnte der selbstherrliche VARUS im germanischen Wald den Richter spielen. Ich glaube, so mancher hat sich dabei hinter vorgehaltener Hand kaputtgelacht. Leider wurde es bisweilen ernst, und VARUS verhängte drastische Strafen. Das war dann kein Spiel mehr. So entstehen Aufstände!
Besonders lustig sind die schmierigen Komplimente (alle im Konjunktiv der fremden Meinung=obliquus): Vielen Dank für die römische Justiz und dafür, daß ihr unsere "Wildheit" abgemildert (abgeschwächt) habt und uns von der barbarischen Sitte abgebracht (befreit) habt, alles mit der Waffe in der Hand zu regeln.
Darauf haben wir schon immer gewartet.
In Wirklichkeit tickten die Germanen ganz anders. Sie liebten den Streit und den Kampf, hielten nicht viel von Vorschriften (und schon gar nicht von römischen) und lösten Probleme gern mit der Waffe. Gewalt ist keine Lösung. Nicht so für die Germanen. Für sie war es eine!
VARUS wurde also nach allen Regeln der Kunst um den Finger gewickelt und in Sorglosigkeit gewiegt. Auf dem Rückmarsch zum Rhein irrte er "wie Falschgeld" in der germanischen Geographie umher und wurde von seinem "Freund" ARMINIUS sprichwörtlich im Regen stehen lassen. Wie es ausging, lernte früher jedes Schulkind. Wer kennt nicht die berühmten Worte des TACITUS: "Haud procul Teutoburgiensi saltu"=nicht fern vom Teutoburger Wald; unweit des Teutoburger Waldes; also ganz in der Nähe davon.
So war das damals.
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Euer ARMINIUS




Dienstag, 24. September 2013

C. VELLEIUS PATERCULUS: HISTORIA ROMANA II, 117: DER CHARAKTER DES QUINCTILIUS VARUS

Funestae ex Germania epistulae (Die unheilvollen Briefe aus Germanien; Unheilsbriefe) caesi Vari (des ermordeten Varus; von der Ermordung des V.) trucidatarumque legionum trium (und dreier niedergemetzelter Legionen) totidemque alarum (und ebensovieler Reiterabteilungen; Reitergeschwader) et sex cohortium (und von 6 Kohorten) nuntium attulerunt (brachten die Botschaft; Nachricht).
VARUS QUINCTILIUS (Quinctilius Varus) illustri magis quam nobili ortus familiae ( aus einer mehr/ eher bekannten als vornehmen Familie stammend), vir ingenio mitis (ein Mann sanft von Gemütsart; von mildem Charakter; von weichem Wesen), moribus quietus (von seinem Wesen her ruhig; von ruhiger Art), ut corpore, ita animo immobilior (wie durch den Körper; vom Körper her; so im Geist ziemlich/ recht unbeweglich; träge), otio magis castrorum (mehr an die Muße im Lager; das Nichtstun) quam bellicae assuetus militiae (als an die den kriegerischen Miltärdienst gewöhnt; Kriegsdienst), pecuniae vero quam non contemptor (wie sehr dieser kein Verächter des Geldes war), Syria (Syrien), cui praefuerat (dem er vorangestanden war; dessen Statthalter er war), declaravit (zeigte; offenbarte; Subjekt: Syria), quam pauper divitem ingressus (welches reiche er arm betretend; welche reiche Provinz er als armer Mann betrat) dives pauperem reliquit (reich als arme Provinz verließ; als reicher Mann arm verließ; zurückließ). Is cum exercitui (Als er dem Heer), qui erat in Germania (das sich in Germanien befand), praeesset (voranstand; als er das Heer kommandierte), concepit (stellte er sich vor; bildete er sich ein; bildete er sich die Meinung; machte er sich ein Konzept) esse homines (sie=die Germanen seien Menschen), qui nihil (die nichts) praeter vocemque membraque (die Stimme und die Glieder) haberent hominum (von Menschen (an sich) hätten), quique (und die; und daß diejenigen, die) gladiis domari non poterant (durch die Schwerter (das Schwert) nicht "gezähmt"/ bezwungen werden konnten), posse iure mulceri (durch das Recht (Gesetz) "besänftigt"/ gefügig gemacht werden könnten. Quo proposito (Mit diesem Vorsatz) mediam ingressus Germaniam (mitten nach Germanien hineingehend; eindringend; als er...; drang er ein und...) velut inter viros pacis gaudentis dulcedine (wie unter Männern, sich freuend an der Süße (Reiz) des Friedens; die sich...freuen) iurisdictionibus agendoque pro tribunali ordine (durch Rechtssprechungen und durch das Schaffen der Ordnung auf erhöhtem Platz) trahebat aestiva (zog er das Sommerlager in die Länge).
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P. Quinctilius Varus: niedergermanischer Statthalter des Kaiser AUGUSTUS; Nachfolger des Drusus und Tiberius; sicherte mit der 17., 18. und 19. Legion die Rheingrenze (zumindest versuchte er es)
immobilis=schwerfällig (Varus war ein wenig "langsam"; also nicht gerade von der schnellen Truppe)
ordinem agere=Ordnung schaffen
pro tribunali=auf dem erhöhten Platz (für die sella curulis; darauf nahm der Statthalter Platz, wenn er Recht sprach...oder was er dafür hielt)
trahere=(unnötig) in die Länge ziehen; vertrödeln; hierin zeigt sich wiederum seine langsame Art, die von VELLEIUS kritisiert wird; dieser sieht im Carakter des VARUS einen gewichtigen Grund für die Katastrophe im Teutoburger Wald!)
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Syrien: Als armer Mann betrat er eine reiche Provinz und als reicher Mann verließ er eine arme (Wortspiel und Chiasmus; Varus wußte, wie man eine Provinz "erfolgreich verwaltet".). Der Soldat und Offizier VELLEIUS kritisiert hier die Raffgier des VARUS, die ihm zutiefst zuwider ist. Als "vir vere Romanus" hat er für VARUS nur Verachtung übrig!- An anderer Stelle heißt es ironisch, VARUS sei nicht gerade ein Verächter des Geldes gewesen.
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VELLEIUS macht VARUS insgesamt diese Vorwürfe:
1.) nicht gerade aus bester Familie stammend
2.) weicher Charakter
3.) geistig wie körperlich unbeweglich (ein Fettsack?); liebt eher das Nichtstun als den Kriegsdienst (kein Mann der Tat)
4.) Varus ist geldgeil (avaritia)
5.) Ausbeutung einer Provinz; maßlose Bereicherung (korrupter Charakter)
6.) Varus hat seltsame Vorstellungen: So glaubt er, die Germanen seien gar keine richtigen Menschen.
7.) Varus hat Realitätsverlust bzw. eine verzerrte Wahrnehmung: Er glaubt allen Ernstes, die Germanen könnten durch das römische Recht bezwungen werden. Eine fixe Idee!
8.) Varus ist eitel: Mitten in Germanien spielt er den Gerichtsherren (Prozeßsucht!)
9.) Varus hat kein Einfühlungsvermögen. Er merkt nicht, wie er die Germanen gegen sich aufbringt. Instinktlosigkeit.
10.) Varus ist naiv und glaubt, die Germanen hätten nur auf ihn und seine Gesetze gewartet (s. auch Punkt 6). Dabei hatten die Germanen eigene Gesetze und Bräuche!
11.) Varus verliert wichtige Zeit bei der Rechtssprechung, die ihm fehlen wird. Er zieht so das Sommerlager unnötig in die Länge. (Kritik am ganzen Management des Varus).
Ergebnis: VELLEIUS hält VARUS für einen unfähigen, trägen Sack!
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C. VELLEIUS PATERCULUS war höherer Offizier und diente unter TIBERIUS, den er bewunderte. Er war also "vom Fach". In den Jahren 4-11 n. nahm er an dessen Feldzügen in Germanien und Pannonien teil.
VELLEIUS schrieb eine zweibändige HISTORIA ROMANA (von der Eroberung Trojas bis auf seine Zeit).
Seine Quellen waren: LIVIUS, CORNELIUS NEPOS u.a. Allerdings trieb er keine allzutiefen Studien. Hatte wohl keine Zeit und mußte Krieg führen.
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R.